Heute, am 02.07.2018 zum 14ten „Jahrestag“ der Rückkehr aus Japan ist es wohl mal an der Zeit Rückschau zu halten. Was hat sich getan, was hat sich verändert; bei mir und um mich herum?
Am Anfang sei gleich gesagt, dass ich es mir „leichter“ vorgestellt habe/hatte. Für 25 Jahre wohlbehütet in der Obhut des Tempellebens eingebettet, war der Kampf um die Existenz, ich meine nur um den einfachen Lebensunterhalt, schon eine körperliche, sowie mentale Herausforderung.

Angekommen warf ich mich voll in die „Arbeit“. Zuerst das Zendo herrichten. Sitzkissen und Sitzunterlagen beschaffen, so wie einen provisorischen Altar zu bauen. Einen Buddha und Klangschalen hatte ich schon. Danach ging es daran, den Dachboden auszubauen, so dass er zur Übernachtung benutzt werden konnte. Schlafmatten (Futon) sowie die Zudecken (Kakebuton) hatte ich je sechs vorab aus Japan geschickt. So konnte es dann am 24. August 2004 (zum 80. Geburtstag meines Lehrmeisters) losgehen.

Nach einem Jahr wollte ich mich „vergrößern“ und mietete voller Euphorie einen großen Raum in der Stadtmitte und richtete diesen nett ein. Eine Künstlerin (Kuzu) aus Lippstadt entwarf das Logo „Zen-trum“. So konnten wir stilvolle Flyer, Poster und Visitenkarten drucken lassen. Doch bald musste ich feststellen, dass das Interesse an Zen und Taichi groß war, aber doch nicht so nachhaltig, so dass ich den Raum nach einem Jahr wieder aufgab. So konzentrierte ich mich ausschließlich auf mein „zu Hause“, das heißt die Mercklinghausstr. 76 und investierte da Geld, Zeit und Liebe.

Da die Räumlichkeiten begrenzt sind, unterrichte ich eben nur Kleingruppen. Zum Zazen und zur Einnahme von Speisen gibt es genügend „Sitzplätze“. Essschalen und Glocken usw. erwarb ich nach und nach bei meinen weiteren Reisen nach Japan. Denn von 2004 bis zu meinem vorerst letzten Abflug aus Japan am 12.12.2012 fuhr ich zweimal jährlich zu meinem Tempel und zum Sesshin nach Bukkokuji. (So war ich dreiunddreißig Jahre lang eng mit Japan verbunden.) Leider verblasste das Erinnerungsvermögen von meinem Lehrmeister Daisetsu Tangen Roshi immer mehr und er lebte zurückgezogen. Bis er am 12.03.2018 seinen Körper verließ.

Zum Taichi sei noch kurz gesagt, dass ich mich mit den hiesigen Gepflogenheiten und Herangehensweisen auseinandersetzen musste und so nahm ich an mehreren Taichiseminaren teil. Nicht, dass ich jetzt keine „anderen“ Seminare mehr besuchen möchte, doch ich habe meinen Weg gefunden und verfeinere diesen natürlich auch weiterhin, durch „nur Übung macht den Meister“! Das soll nicht heißen, dass ich ein Meister bin; ich verstehe mich als Übender und hoffe so lange wie möglich üben zu können/dürfen! Im Loslassen die Natürlichkeit der Bewegung erfahren, fernab von Kampf und Krampf. Denn das Taichi, sowie auch das Leben ist ein (Zusammen-) Spiel und soll uns sowohl Erkenntnis bringen, aber auch Freude und Spaß bereiten.

Zurückblickend gab ich hier in Deutschland sehr viel Unterricht an verschiedenen VHS im Umkreis von Lippstadt. Sowohl im Taichi, Kalligrafie, als auch im Zen plante ich für jede freie Minute einen Kurs ein. Außerdem gab ich Kurse bei Firmen und auch bei anderen Instituten. Selbständig: eben selbst und ständig. Doch all die Begegnungen mit den liebenswerten Menschen machte mich froh und zufrieden, denn man lernt ja auch vieles für sein Herz und seine Seele! Heutzutage gebe ich noch an Samstagen einige Zazen-Kurse an der VHS, da mir die Zazen-Übung doch sehr am Herzen liegt und ich diese möglichst allen Menschen nahe bringen möchte. Natürlich hatte/habe ich auch weiterhin Veranstaltungen und Kurse. hier im Zen-trum und eben in Gütersloh.

Eine wertvolle Bereicherung war/ist es, dass sich schon im Jahre 2006 in Gütersloh durch die VHS-Kurse eine „private“ Zen und Taichigruppe bildete. Doch die endgültige Verankerung kam dann 2010 durch die Bereitstellung eines Übungsraumes und die Gründung des „Förderverein Butsugenji e.V.“ am 11.06.2012. Wobei noch anzumerken ist, dass wir einige Hürden zu überwinden hatten, bis alles in trockenen Tüchern war.

Für die Nutzung des Gartens war ein Übungsplatz für das Taichi vorgesehen. So säte ich also überall Rasen mit einer Hecke rundherum, so dass ich ungestört üben konnte. Doch bei einem meiner ersten Besuche in Japan schenkte mir der Inhaber eines Geschäftes für Tempel- und Mönchsbedarf beim Kauf von Altarstoffen einen kleinen Kanzeonbosatsu aus Plastik, der jedoch hübsch und golden angemalt war. Dieser stand dann eine Zeit lang auf meinem Altar und eines Tages kam nach dem morgendlichen Zazen in mir die Idee auf, diesen in den Garten zu stellen. Nun, der Bodhisattva brauchte ja einen kleinen Garten! Also pflanzte ich einen Ginkobaum, und zwei Ahornbäume mit einem kleinen Wasserbecken. Ein starker Zazenübender brachte mir drei große schwere Steine und so begann es mit dem Zen-Garten.

Schon von Anbeginn war ich von den japanischen Gärten mit den Bäumen, den Blumen, dem Moos und den Steinen begeistert und hatte auch in Bukkokuji das Glück, einem Gartenmeister bei dem Anlegen eines Gartens zu helfen. Er war schon etwas älter und ich musste/durfte die Steine so lange drehen und wenden, bis es ihm gefiel. Auch legten wir einen Gehweg an. Mit dieser Erfahrung schickte ich mich nun auch hier an einen Ort der Ruhe, des Friedens und eben des Zen-Geistes zu schaffen. Natürlich sind die klimatischen Gegebenheiten und Materialien hier völlig anders, aber einen Garten anzulegen der die (Buddha-) Natur oder auch die „Soheit“ widerspiegelt, ist ja die Grundidee der Zengärten. Hier, für mich, ist von zentraler Bedeutung, dass der Ausgangspunkt ein kleiner Bodhisttva war, der dann sogar später zum Buddha wurde!

Um sich als eine „echte“ buddhistische Gemeinschaft zu fühlen, ist es auch dankbar, dass wir hier im Butsugenji bisher eine Mönchsordination und drei Bodhisattva-Ordination hatten. Das stärkt das gemeinschaftliche Zazen und auch die Sutrarezitation, die ich in letzter Zeit für immer „wichtiger“ halte. Auch die Verhaltensformen tragen sehr zum Verständnis das „Zen-Geistes“ bei. Die Sangha, also die Gemeinschaft der Übenden ist neben dem Buddha und Dharma (Lehre) ein Pfeiler zum Verständnis des allumfassenden Geistes. Dogen Zenji (der Gründer des Haupttempels „Eiheiji“) bittet uns von ganzem Herzen, Zuflucht in Buddha, Dharma und Sangha zu nehmen, auf dass wir Erleuchtung erfahren. Ebenso Harada Tangen Roshi vermittelte mir sehr intensiv, sozusagen „von Herz zu Herz“, in unzähligen Dokusan (Treffen unter vier Augen), bei all den gemeinsamen Teepausen und in all den Hinweisen und Unterweisungen, die Notwendigkeit der bedingungslosen Hingabe in die drei Schätze.* Nur so ist die egolose Praxis des Zazen möglich.

Es zog mich ja damals im Jahre 1979 nach Japan, um die Wahrheit, die Wirklichkeit, die Religion zu ergründen und zu verstehen. Glauben oder Erlösung zu erfahren, um alle Zweifel zu überwinden, um froh, frei und glücklich zu sein. Vertrauen in das Miteinander und das Leben zu haben, den Sinn zu erkennen und letztendlich auch danach zu leben, um nicht unnötig Leid zu erzeugen!

Und jetzt bin ich da hingelangt oder angelangt, dass Hingabe und tiefer Glaube das Tor zur Glückseligkeit ist! Es ist das torlose Tor, das ziellose Ziel oder auch „Offene Weite, nichts von heilig“ (Bodhidarma), doch in tiefster Hochachtung und Verehrung. Frieden in Ewigkeit, jenseits von Raum und Zeit, über alle Vorstellungen und Annahmen hinaus. Das von tiefstem Herzensgrund, aus reinster Seele ersehnte, das Leben selbst. So wirf dich in das Haus von Buddha, wirf dich bedingungslos und mutig in die Praxis, tue was nicht getan werden kann, lasse alle Anhaftung fallen; und dieses täglich aufs Neue, ohne Erwartung auf Lob und Anerkennung. Das heißt:„ Der Gastgeber im Gastgeber“ (Hôkyôzanmai) - reines Sein.

Nun bin ich im Begriff ein neues Sutrabuch zu erstellen, d.h. ich überarbeite und erweitere das bereits 2008 erstellte Sutrabuch, da mir der Inhalt und auch das Rezitieren der Sutren immer wichtiger wird. Das wird aber noch etwas dauern, da wir es auch auf den neusten technischen und digitalen Stand bringen möchten. Auch möchte ich einige Kalligrafie-werke mit einbringen, die den Zen-Geist auf den Punkt bringen. Somit bereitet mir auch das Kalligrafie-schreiben weiterhin große Freude und stärkt mich in Körper und Geist.

Es liegt mir am Herzen, all den Menschen zu danken, die hier waren und auch noch sind, für die gemeinsame Praxis und auch für die vielen, vielen Hilfen in Rat und Tat! Nicht zuletzt möchte ich auch meiner Frau Tamae Okamoto für ihre Unterstützung und all ihre Mithilfe, das Tempelleben zu gestalten, danken. In besonderer Weise verwöhnt sie uns mit ihren leckeren Speisen bei allen Veranstaltungen hier im Butsugenji.

So bin ich glücklich, hier zu sein und auch aus Japan zurück gekommen zu sein, obwohl es nicht leicht war und werde weiterhin mein Bestes tun: 一所懸命 (isshokenmei).

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Nun heute, an einem sonnigen Spätsommertag in 2023 möchte ich einige Ereignisse nachtragen.

Im Februar 2019 (kurz vor der Coronapandemie) fuhr ich nach 7 Jahren Abwesenheit wieder nach Japan, in meinen “(Haus)- Ordinationstempel” Hakuhôji. Natürlich war ich seit 2012 weiterhin in regelmäßigem Kontakt zum Abt Nishida Tokugen Roshi und auch zu meinem Taichi Meister Yamaguchi Hakue.

Um meinen Lehrmeister Harada Tangen Rôshi von Bukkokuji, der ja wie bereits erwähnt 2018 seinen Körper verließ, meine Ehrerbietung zu erweisen, fuhr ich nach Bukkokuji um an seinem Grab zu beten und da wurde mir klar, dass die Welt des Sichtbaren (der Erscheinungen) und die Welt des mit dem Auge nicht Sichtbaren (Leerheit) untrennbar sind. Ja, erst dann gibt es (Seelen-) Frieden. - Erst dann hört das Gejage auf. Erst dann ist Ruhe im Karton. - Leben und Tod sind ein Paar, ohne Tod kein Leben und umgekehrt. Wir können nicht nur eins herauspicken.

Wir, mein langjähriger Dharma-Freund Otsuka und ich, übernachteten in Bukkokuji. Wir wurden vom jetzigen Abt Kogaku Harada Roshi herzlich begrüßt und zu unserer Freude trafen wir dort noch Mönche von früher an. Nach Za-zen, Sutrarezitation, und Frühstück reisten wir am nächsten Vormittag voller tief berührender Eindrücke ab. Ja, gewiss, das Leben ist grenzenlos, immer da und nicht trennbar.

Nun fuhr ich zurück nach Hakuhôji um in meinem “buddhistisches Leben” (Das Dharma) einen weiteren entscheidenden Schritt zu tun. Mit Nishida Tokugen Rôshi gab es eine tiefgreifende Dharmaverbindung, denn als ich 1979 in Japan, d.h. in Hakuhôji ankam, war er bereits als älterer Mönchsbruder ein Vorbild und guter Ratgeber für mich. Nach dem Ableben meines Ordinations-meisters Chigen Sakimaura Rôshi (1992) wurde er Abt des Tempels und nahm mich unter seine Fittiche. Nun nach all den Jahren der Praxis war die Zeit reif. Das Dharma wurde mir übertragen und somit führe ich die Linie vom Hakuhôji-Tempel weiter. Tiefer Seelenfrieden stieg in mir auf, verschmolzen mit freudigem Tatendrang für die verantwortungsvolle Aufgabe, nämlich die Erhaltung des Tempels und Weitergabe des Dharma.

Ebenso zu Harada Tangen Rôshi war es eine sehr intensive “Herz zu Herz” Verbindung. So empfimg ich bei ihm u.a. nochmals die Gelübde. [Man kann die Gelübde öfter empfangen, um seine Hingabe zur Praxis zu untermauern, zu festigen]. Doch besonders berührte es meine Seele, als mir “Rôshi-sama” nach endlosen fordernden Sesshins das “Shinkôsan Butsugenji”, also die Ermächtigung einen Tempel zu errichten und zu führen, überreichte.

Natürlich traf ich mich auch mit meinem Brudermönch und Taichi Meister. [Foto auf der HP] Mit ihm bin ich in ständigem Kontakt und wir tauschen uns über die Geisteshaltung beim Taichi und Zen aus. Nach all den Jahren des Formentrainings tritt immer mehr der “Geist” in den Fokus. [Sei – Ki – Shin].

Am Pinselschreiben habe ich weiterhin viel Freude. Es ist (wie) Taichi im Sitzen. Schwarz auf weiß, da ist keine Korrektur möglich, sondern nur wieder ein auf´s Neue. Herrlich, wenn es dahin-fließt.

Über die Internet-Mailingliste der Bukkokuji-Sangha-Gruppe halte ich weiterhin den Kontakt zu Bukkokuji aufrecht und beibe auf dem Laufenden. So wurde kürzlich ein Buch über Harada Tangen Rôshi herausgegeben. Titel: “Throw yourself into the House of Buddha” [Die deutsche Übersetzung finden Sie auf dieser HP unter: Unterweisungen und Lehrreden]. Ein weiteres wird bald erscheinen mit dem Titel: “One doing”. Soweit so gut.

Kürzlich, im November 2023 startete eine Spendenaktion für die Renovierung des kleinen Gebäudes für den Kanzeon-Bodhisattva in Bukkokuji (Japan). Sie wird als digitaler Bettelgang durchgeführt. Das erinnerte mich sofort an die tatsächlichen Bettelgänge. Wir rezitierten das Herz-Sutra und wenn wir eine Spende erhielten: "Zai hō ni se Ku doku mu ryō Dan ba ra mitsu Gu soku en man" Die Gabe und das Dharma bringen sich gegenseitig dar. Unzählige Verdienste ergeben sich daraus. Die durch Mildtätigkeit erwachsende Weisheit wird offenbar. Jetzt, hier, gänzlich alles, wird Eins.

Takuhatsu Gruppe

Da ich nicht nur auf „Wolke sieben“ schwebe, sei noch erwähnt, dass ich von August 2016 bis Juni 2018 wöchentlich einen Taichikurs mit Zen-Meditation in der forensischen Psychatrie LWL Eikelborn abgehalten habe. So hatte ich einen Einblick in ein „Leben mit Gittern“. Im Anschluss war ich dann vom Dezember 2018 – August 2022 als Bewegungstherapeut in der Tagesklinik LWL Gutersloh tätig. Das waren für mich prägende Zeiten, in Bezug auf Menschlichkeit und Menschenwürde. „Alle Wesen sind Buddha, alle Wesen haben die Buddha-Natur“.

Der Weg der Worte ist nun zu Ende. - Wie überall: “Die Übung macht den Meister”! - Egal, die Übung macht´s und es tut gut.

Es sei noch gesagt:
Wer hat Lust auf Bewegung, Za-zen oder Pinseln? - Jeder in guter Absicht ist herzlich willkommen!

Mögen alle Buddhas, alle Heiligen und Verehrungswürdigen so mitfühlend sein und uns wohlwollend unseren Mangel an Glauben verzeihen. Mögen sie uns Kraft geben zu praktizieren und Gutes zu tun, auf dass wir den Hass, die Gier und die Blindheit des Geistes überwinden. Mögen sie die Erde erhalten und uns beschützen, so dass in allen Wesen der unübertreffbare, der alles durchdringende, erleuchtende, strahlende Geist aufsteigt. - Der ewige Frieden.

九拝 (kyuhai) neun Niederwerfungen

Butsugenji, der 22.12.2023

*Die drei Schätze im Buddhismus sind: Buddha, Dharma und Sangha.